Gerade in gesättigten oder sogar degenerierenden Märkten ist Kundenbindung immer eines DER Themen. Denn in solchen Märkten heißt Kundengewinnung auch immer, den Kunden einem Wettbewerber abzuluchsen. Der passionierte Marketeer wird dann auch leicht überschwenglich: Die Kunden sollen alle Fans werden. Wie bei Apple. Dabei ist das gar nicht immer sinnvoll und oft auch nicht möglich.

0815 Kundenbindung bindet nicht

Direkt vorab: Kundenbindung muss nicht immer Priorität haben. Es gibt Märkte, in denen viele potenzielle Kunden noch keine Konsumenten der jeweiligen Produktkategorie sind. In solchen Märkten hat immer die Kundengewinnung Priorität. Allerdings lohnt es sich, auch bei der Kundengewinnung schon an die Kundenbindung zu denken. Dazu aber später.

Wir sprechen hier von Märkten, in denen die Kunden schon mehr oder weniger verteilt sind. Wo Wettbewerber versuchen werden, uns aktiv unsere Kunden abzujagen. In solchen Märkten spielt die Kundenbindung sogar eine ganz erhebliche Rolle.

Also schnell ein Kundenbindungsprogramm aufgesetzt. Denkt sich zumindest der ein oder andere Marketeer an dieser Stelle. Ein Kugelschreiber hier, eine Einladung da oder einen Rabatt für den nächsten Besuch einer Attraktion. Im B2B schiebt mittlerweile die Compliance einen Riegel vor solche Aktivitäten. Im B2C muss man erst die Erfahrung sammeln, dass es schlicht weg nicht funktioniert.

„Aha“ denkt sich da der ein oder die andere. „Ist ja auch klar! Wir brauchen keine Kunden, wir brauchen Fans! Funktioniert bei Apple ja auch.“ Aber auch das kann nicht funktionieren. Fans können nämlich nur unter ganz bestimmten Umständen „erschaffen“ werden.

Klar wird dadurch aber, dass es unterschiedliche Formen der Kundenbindung gibt. Welche die geeignete für Ihr Unternehmen ist, bestimmt dabei Ihr Bindungs-„Problem“. Es sind also die Kündigungsgründe, die Sie bei der Suche nach dem geeigneten Kundenbindungsprogramm leiten sollten.

Die Fußfessel der Kundenbindung

Doch von vorne: Vielleicht liegt der Fehler schon beim Terminus. Denn Kundenbindung bedeutet wiederum, dass wir vom Unternehmen aus denken. Viel sinnvoller ist es aber, vom Kunden aus zu denken (vgl. auch Blogbeitrag: Kundenorientierung). Und dann geht es auf einmal um Commitment. Der Kunde soll sich unserem Unternehmen oder unserer Marke verpflichten oder zumindest dazu bekennen.

Das kann zum einen ganz manifest erfolgen. Beim manifesten Commitment handelt es sich nämlich um eine nicht lösbare Bindung. Der Kunde ist eher ge- als verbunden. Das geschieht meist durch vertragliche Bindefristen. Diese sind im privaten Bereich in der Regel auf 2 Jahre begrenzt (AGB-Recht). Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen.

Grundsätzlich mögen Kunden eine solche Form der Bindung natürlich nicht. Denn sie geben damit ihre Handlungsfreiheit – zumindest für eine gewisse Zeit – ab. Kunden werden sich also nur dann darauf einlassen, wenn sie sich dadurch andere Vorteile erhoffen können.

Diese Form der Bindung eignet sich immer dann, wenn Verkaufsargumente genutzt werden, die keine echte VERbundenheit zulassen. Das gilt insbesondere für den Preis. Man kauft sich damit also Zeit, um andere Argumente im Laufe der GEbundenheit zu platzieren. So soll sich diese GEbundenheit nach Wegfall der manifesten Bindung in VERbundheit wandeln.

Wechsel auf eigene Gefahr

Beim sogenannten latenten Commitment handelt es sich um Wechselbarrieren, die aufgebaut werden. Der Kunde kann also prinzipiell gehen. Aber er fühlt sich verpflichtet, weil ein Wechsel für ihn oder sie mit Unannehmlichkeiten verbunden ist.

Druckerhersteller versuchen dies etwa zu erzeugen, indem sie stark davor warnen, andere Druckerpatronen zu nutzen, da diese sogar zum Garantieverlust führen könnten. Auch Vertragswerkstätten bauen Hürden auf. Etwa indem sie darauf verweisen, dass man im Garantiefall nicht so gut reagieren kann, wenn die Inspektion nicht beim Vertragshändler durchgeführt wird.

Aber auch soziale Zwänge können hier eine Rolle spielen. Immer dann, wenn ein Wechsel zu einem Wettbewerber zu negativen Konsequenzen in einer sozialen Gemeinschaft des Kunden führt. Etwa dann wenn für die Jugendabteilung eines Vereins für jeden Kunden jedes Jahr ein gewisser Betrag gespendet wird.

Die wohl häufigste Form dieser Art der Kundenbindung ist aber der Versuch, eine ökonomische Barriere aufzubauen. Etwas durch Rabatte für Kunden, besondere Aktionen oder Zugang zu exklusiven Leistungen. Die Herausforderung hierin besteht, dass der Kunde diese Barrieren a) wahrnimmt, b) mit Ihrem Produkt in Verbindung bringt und c) auch wirklich als Verlust wahrnimmt. Das gelingt leider nur wenigen Anbietern.

Doch die Wirkungsweise zu erläutern, würde den Rahmen dieses Blogartikels sprengen. So verweise ich direkt einmal auf den nächsten Artikel. Nur soviel sei gesagt: Ein Rabattprogramm „von der Stange“, wie es die ein oder andere Agentur gerade anbietet, führt nur selten zum Erfolg.

Ich bin kein Kunde – ich bin Fan

Doch auch das latente Commitment ist eine Fußfessel. Und solche Fesseln können auch schnell lästig werden und zu Reaktanzen führen. Wäre es nicht viel schöner, wenn uns unsere Kunden einfach nur toll finden? Wenn Sie unseren Wettbewerber einfach nur verächtlich anschauen, anstatt abzuwägen, ob sich ein Wechsel lohnt? Der Traum so vieler Marketeers: Unsere Kunden sind unsere Fans!

Wie bei Apple! Und unser Markenlogo ist ein Muß für jeden Tattoo-Shop. Diese Form des Commitments – das affektive Commitment – erreichen leider nur die wenigsten Anbieter. Zumindest nicht bei einer Kundenzahl, die die Wechselquote entscheidend beeinflussen kann. Warum ist das so?

Affektives Commitment geht weit über das eigentliche Produkt hinaus. Es basiert auf einem starken Gefühl der Verbundenheit. Nicht nur gegenüber dem Produkt, sondern gegenüber der Marke. Die Marke wird dabei als eine Art Persönlichkeit angesehen. Und von dieser Persönlichkeit möchte der Kunde gewertschätzt werden. Er möchte unterstützt und fair behandelt werden. Und er möchte mit dieser Persönlichkeit die gleichen Werte teilen.

Die Voraussetzung für diese Form des Commitments sind also vor allem eine gute Markenarbeit und -kommunikation (vgl. auch Blogartikel „Markenversprechen“ oder „Erfolgsfaktoren im Marketing“). So wie Apple sie vorweisen kann oder zumindest konnte. Hinzugesellen muss sich dann aber auch noch ein gewisses Involvement Ihrer Kunden. Ohne Involvement werden sich Ihre Kunden kaum genug für Ihre Marke interessieren, um ein Fan zu werden.

Lassen Sie uns also Kunden binden – aber sinnvoll. Mit Instrumenten, die nicht von der Stange kommen, sondern auf Ihre Produkte, Ihre Marke und Ihr Kündigungsproblem angepasst sind. Dann können Sie Ihren Wettbewerb sicher ausstechen.

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Über den Autor

Dr. Michael Stiller ist Impulsgeber und Umsetzer für die Themen Strategie, Marketing & Vertrieb. Seit über 20 Jahren berät er Unternehmen zu diesen Themen und scheut sich auch nicht Verantwortung – z.B. als Interim Manager – für die Umsetzung zu übernehmen. Seine Erfahrungen und Wissen teilt er hier und in seinem Podcast.

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