„Für unsere Kundenbindung achten wir ganz besonders auf unsere Kundenzufriedenheit!“ Geht es Ihnen auch so? Würden Sie mir die Frage nach Kundenbindung ebenso beantworten? Dann würden Sie – zumindest im Bereich der Commodity – von mir eine ebenso skeptische Gegenfrage erhalten: „Korreliert Ihre Kündigungsquote mit Ihrer Kundenzufriedenheit?“
Die Mär von der Kraft der Kundenzufriedenheit
Klar, wir alle kennen die Grundlagenwerke des Marketing. Und es erweist sich schon fast als „Common Sense“, dass Kundenzufriedenheit stark mit der Kundenloyalität korreliert. Dann MUSS es ja auch in der Energiewirtschaft so sein! Ist es aber nicht! Zumindest nicht bei Strom-, Gas- und Wärmeverträgen.
Sicher lassen Sie auch in regelmäßigen Abständen Ihre Kundenzufriedenheit messen, wahrscheinlich sogar Ihre Kundenloyalität bzw. die Wechselbereitschaft. Und sicher sind diese Werte sehr gut – insbesondere im branchenübergreifenden Vergleich. Einige von Ihnen werden beide Werte vielleicht sogar in einem Diagramm darstellen. Fügen Sie nun Ihre Kündigungsquote hinzu – wenn nicht schon gesehen. Und? Sehen Sie, was mit der Kündigungsquote bei steigender Kundenzufriedenheit geschieht? Was? Sie bleibt gleich oder steigt sogar?
Und obwohl dieser Zusammenhang ersichtlich ist, beharren weiterhin viele darauf, dass die Kundenzufriedenheit der Schlüssel zum Erfolg ist. Gelernt ist gelernt. Doch warum soll es gerade bei den Commodities anders sein?
Man misst was man misst
Genau kann ich es leider auch nicht sagen. Das wäre eine spannende aber sicher aufwendige empirische Untersuchung. Was ich aber weiß ist, dass die allermeisten Studien zum Thema „Wirkung von Kundenzufriedenheit auf die Kundenloyalität“ bei Produkten und Leistungen mit einem gewissen Involvement stattfinden. Und genau das haben unsere Produkte nicht. Es sind Low-Involvement-Produkte. Dabei ist das Involvement sogar so tief, dass viele gar nicht wissen, bei welchem Anbieter sie überhaupt sind. Das zeigt sich immer wieder in den Fokusgruppen, die wir begleiten.
Noch Weniger wissen, welche Leistungen überhaupt im Rahmen eines Tarifvertrages erbracht werden. Doch nun wird es „tricky“. Zufriedenheit ist ja nichts anderes als ein Abgleich der erwarteten Leistung (bzw. des Nutzens) mit der erlebten (nicht zu verwechseln mit der erbrachten). Doch was soll man bewerten, wenn man weder weiß, was man hat, noch was man erwarten soll. Strom soll fließen, Gas soll die Wohnung aufwärmen. Beides funktioniert in Deutschland. Immer!
In Folge dessen wird in aller Regel etwas anderes erhoben. Es werden Zufriedenheiten mit dem Service gemessen. Wenn man’s genau nimmt versuchen wir also die Servicezufriedenheit mit der Kündigerquote zu korrelieren. Nun sollten Sie sich fragen, welchen Service das Gros Ihrer Kunden zu welchen Anlässen erwartet. Meine Behauptung: Die Mehrheit der Kunden möchte im Falle von Problemen, dass diese behoben werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Erbringen dieser Leistung wird Ihre Kunden aber nicht zufriedener machen. Das Nicht-Erbringen aber unzufriedener. In einem solchen Fall wird die Zufriedenheit zu einem Hygienefaktor. Und – in Korrektur zu meinen obigen Ausführungen – tatsächlich kann man häufig beobachten, dass sinkende Kundenzufriedenheit mit steigenden Kündigungsquoten einhergeht – eine einseitige Korrelation.
Erst Erwartungen bringen Kundenzufriedenheit
Sie sollten die Kundenzufriedenheit also auch nicht aus den Augen verlieren. Sie sollten sie aber auch nicht als Kundenbindungsinstrument betrachten. Denn nur im Falle einer hohen Unzufriedenheit Ihrer Kunden, bietet sie einen Hebel für die Kundenbindung. Doch das fällt eher in die Kategorie Beschwerdemanagement (vgl. Die Beschwerde ist eine Liebeserklärung). Vielmehr müssen Sie Ihren Kunden etwas geben, was Ihre Erwartungen schürt. Das wird sicher nicht mit Kernleistungen möglich sein, aber mit zusätzlichen Leistungen rund um Ihre Tarife. Erst dann wird es Ihnen gelingen, Ihren Kunden etwas zu geben, dass sie schätzen werden und vielleicht sogar befürchten, zu vermissen. Sorgen Sie sich also nicht allzu sehr um Kundenzufriedenheit, schaffen Sie welche!