Kundenorientierung. Für gefühlte 90% der Energieversorger das Schlagwort und Kern der Positionierung. Dabei herrscht die allgemeine Überzeugung vor, dass, wenn man nur kundenorientiert genug ist, die Kunden begeistert sein werden und sich auf ewig binden. Zeitgleich schwingt die Hoffnung mit, dass ich dem Kunden nur oft genug sagen muss, dass ich kundenorientiert bin, damit er es auch glaubt. Er kann sich ja davon im Kundencenter zwischen 10.00 und 17.30 Uhr nach dem Ziehen einer Nummer überzeugen. Zugegeben: Der Einstieg ist ein wenig sarkastisch. Dennoch überrascht es mich immer wieder, wie die Branche in der Vermarktung mit dem Schlagwort Kundenorientierung in der Kommunikation punkten will, ohne diesen Begriff im Umgang mit dem Kunden zu Leben zu erwecken. Dabei schwingt die Hoffnung mit, dass der Kunde es schon nicht merken wird, wenn er lediglich in der Vermarktung im Mittelpunkt steht. Allerdings wird diese Hoffnung nur selten aufgehen. Das dieser Ansatz nicht sogar „nach hinten losgeht“, haben die meisten Anbieter dabei – meiner Meinung nach – nur der „Servicewüste“ Deutschland zu verdanken. Denn hier in Deutschland sind wir es gewohnt, nicht im Mittelpunkt der Anbieter zu stehen. Sätze wie „Wenn es nicht da hängt, haben wir es nicht mehr!“ oder „Draußen nur Kännchen!“ haben uns abgehärtet und die Erwartungen runter geschraubt.
Dabei glaube auch ich fest daran, dass Kundenorientierung für potenzielle Kunde eine starke Differenzierung zum Wettbewerb und für bestehende Kunden ein echter Mehrwert sein kann. Dafür muss man sich aber dem Konstrukt Kundenorientierung ein wenig nähern. Kundenorientierung ist „die Ausrichtung aller marktrelevanten Maßnahmen eines Unternehmens an den Bedürfnissen und Problemen der Kunden.“ heißt es im Gabler Wirtschaftslexikon (Definition). In der Energiewirtschaft mit ihren starren Prozessen und Systemen, die mehr auf Verteilung als auf Verkauf ausgerichtet sind, ist dies sicherlich ein hoher Anspruch. Doch dieser muss – zumindest in Deutschland – ja auch gar nicht vollständig erfüllt werden. Vielmehr muss dem Kunden glaubhaft vermittelt werden, dass man alles tut, um diesen Anspruch möglichst gerecht zu werden.
Denkt man diesen Gedanken weiter, merkt man schnell, dass hierfür aber weit mehr getan werden muss, als nur auf Systeme und Prozesse zu schauen. Denn die Tücken stecken im Detail. Der Sternchentext auf dem Auftrag, der zwar nicht lesbar ist, aber dafür sehr gut in die Word-Vorlage passt. Die Stromkennzeichnung auf der Gasrechnung, die zwar keinen Sinn macht, aber schon immer dort war. Die Weihnachtspost, die zwar völlig unpersönlich ist, bei der man sich aber praktischer Weise nichts mehr überlegen muss, sondern nur noch eine Unterschrift drunter setzt. All diese, wenig mit Kundenorientierung in Verbindung zu bringende Vorgehensweisen, sind nämlich nicht nur das Ergebnis von Prozessen, sondern auch Ergebnisse geistiger Haltung. In logischer Konsequenz bedeutet Kundenorientierung somit auch den Start eines Change-Prozesses, der zunächst bei den eigenen Mitarbeitern ansetzen muss.
Doch wenn Sie diesen Weg gehen – aber auch nur dann -, werden Sie mit der Positionierungsfacette Kundenorientierung erfolgreich sein. Andernfalls wird die Wirkung bestenfalls verpuffen. Allerdings bedeutet das auch, dass der damit verbundene Kommunikations- und Vermarktungsaufwand verpufft. Sollten Sie Ihre Organisation also (noch) nicht in der Lage sehen, den Wandel zur Kundenorientierung zu durchleben, macht es Sinn, andere Facetten einer Positionierung im Rahmen der Vermarktung in den Vordergrund zu stellen.