Viele Kundenbindungsprogramme wollen Hürden schaffen, die einen Anbieterwechsel verhindern. Leider sind Sie zu häufig beliebig und austauschbar. Die aufgebauten „Hürden“ sind in der Regel überhaupt gar keine, da sie einem Anbieterwechsel nicht im Weg stehen. Dabei sind die Anforderungen an Wechselbarrieren eigentlich klar.

Kundenbindung mit Wechselbarrieren

Bereits im letzten Artikel haben wir uns mit unterschiedlichen Arten der Kundenbindung beschäftigt (vgl. Blogartikel). Kundenbindung ist nämlich nicht gleich Kundenbindung. Gerade wenn es um die aktive Kundenbindung geht – dem Immunisieren des Kunden gegen den Wettbewerb – können wir zwischen manifestem, latentem und affektivem Commitment unterscheiden. Während das manifeste Binden der Kunden in seiner Wirkweise (nicht in seiner Umsetzung) eher trivial ist, scheint das latente Commitment in der Praxis schon deutlich mehr Schwierigkeiten zu bereiten.

Grundsätzlich geht es hierbei um das Aufbauen sogenannter Wechselbarrieren. Also Hürden, die den Kunden davon abhalten sollen, zum Wettbewerber zu wechseln. Darin steckt schon mal die erste Erkenntnis: Eine Hürde kann immer übersprungen werden. Das ist das Wesen einer Hürde. Würde man die Hürde so hoch ansetzen, dass ein Überwinden unmöglich wird, muss man davon ausgehen, dass dies beim Kunden eine gewisse Reaktanz erzeugen würde. Der Kunde würde unglücklich und bei der erstbesten Gelegenheit „ausbrechen“.

Während auf der einen Seite also Hürden nicht zu hoch angesetzt werden dürfen, ist die größere Herausforderung sicherlich die, Hürden aufzubauen, die für den Kunden relevant sind. Dazu zählen vor allem zwei Dinge:

  1. Die Hürde muss mit dem Produkt bzw. der Leistung in Verbindung gebracht werden und
  2. das Überwinden der Hürde muss dem Kunden Mühe – im Sinne eines Disnutzen – machen.

Hürden, die auch wirklich im Weg stehen

Dass eine Hürde zunächst einmal überhaupt mit einem Produkt in Beziehung gebracht wird, hört sich ziemlich trivial an. Merkwürdigerweise ist das in der Praxis jedoch nicht der Fall. Hier erhält der Kunde häufig Dinge, die er nun so wirklich nicht mit dem bereits bezogenen Produkt in Verbindung bringt bzw. auch nicht bringen will.

Hierzu zählen z.B. Rabattprogramme – insbesondere die, die von sogenannten Systempartnern angeboten werden. Mit einer entsprechenden Kundenkarte erhält der Telekommunikationskunde so z. B. einen ermäßigten Eintritt in einen Freizeitpark. Unabhängig von der Höhe der Ermäßigung, darf dabei angezweifelt werden, dass der Kunde nun aber den Besuch des Freizeitparks ursächlich mit dem Abschluss des Telekommunikationsvertrages in Beziehung bringt. Der Kunde müsste dann ja einen Gedanken haben wie „Ohne meinen Handyvertrag hätte dieser Freizeitparkbesuch nicht stattfinden können.“

Für wie realistisch Sie eine solche Aussage halten, können Sie ja selber abschätzen. Und solche Beispiele finden sich viele: Der Rabatt beim örtlichen Bäcker mit der Kundenkarte meines Energieanbieters, der Rabatt auf eine Bratpfanne, wenn ich diese über meine Versicherung bestelle.

Hinzu kommt, dass neben dem Zuschreiben dieser Hürden zur bezogenen Leistung diese auch noch extrem leicht kopierbar sind. Wenn E.ON den Eintritt ins Phantasialand sponsert und dies für den Kunden wirklich relevant wäre, dann wäre es sicher ein leichtes für Vattenfall, dies ebenso zu tun.

In der Tat fallen mir hier fast nur Beispiele im Privatkundenbereich ein. Aber es sind typische Beispiele, wo Anbieter Hürden aufbauen, die ein Kunde aber kaum mit seinem Anbieter in Verbindung bringt. Sie stehen einem Anbieterwechsel erst gar nicht im Weg.

Hürden, über die man auch wirklich springen muss

Aber auch wenn Sie im Weg stehen, bringen Sie nichts, wenn der Kunde sie mit Leichtigkeit überwinden kann. Das Überspringen muss den Kunden schon anstrengen. Ein fünf Euro Gutschein für den nächsten Reifenwechsel ist sicher eine nette Geste, die ich meinem Autoversicherer zuschreiben kann. Aber ob mich nun diese fünf Euro davon abhalten werden zu wechseln? Auch das Überlasse ich gerne Ihrer Einschätzung.

Doch wann wird es für den Kunden „unangenehm“, eine Hürde zu nehmen? Eine mögliche Antwort lässt sich in der Prospect-Theorie finden. Diese kann nämlich erklären, dass man einen (zukünftigen bzw. unsicheren) Verlust höher bewertet als einen Gewinn: die sogenannte Verlustaversion. Wir ärgern uns also mehr über den Verlust von 100,- €, als wir uns über den Gewinn von 100,- € freuen. Irrational? Ja, aber erwiesen.

Für das Aufbauen einer Wechselbarriere bedeutet dies also, dass der Kunde bei einem möglichen Wechsel zum Konkurrenzangebot eher mit einem Verlust rechnen sollte, als mit einem Verbleib des Gewinns.

Das können z.B. Rüstkosten sein. Also die Kosten, die entstehen, wenn für einen Anbieterwechsel ganz generell bestimmte Investitionen getätigt bzw. Arbeiten verrichtet werden müssen. So ist zum Beispiel der Wechsel des Gehaltskontos in aller Regel mit dem Umschreiben vieler Lastschriften verbunden. Im B2B sind das sicherlich z.B. Umstellungskosten für Schnittstellenanpassungen bei Software.

Kundenbindung mit Zusatzleistungen

Es gibt aber auch Produkte, bei denen es nicht so einfach ist, z. B. weil der Gesetzgeber hier sogar einen einfachen Wechsel forcieren will. Strom- und Gastarife gehören dazu. Hier muss sich der Anbieter in der Tat Maßnahmen überlegen, die nicht im Leistungskern liegen. Er kann dies z. B. mit exklusiven Veranstaltungen tun, zu denen nur der Anbieter aufgrund seiner regionalen Verwurzelung Zugang gewähren kann (Exklusivität).

Die Wirkung einer solchen Hürde würde dann noch deutlich verstärkt werden, wenn der Kunde diese Veranstaltungen schon (wiederkehrend) fest für sich einplant. Er würde dann nämlich diese Hürde nicht mehr als zusätzlichen Gewinn bewerten, sondern das Wegfallen der Veranstaltung wäre ein Verlust (Verlustaversion).

Bauen Sie also Hürden auf,

  1. die einem Anbieterwechsel wirklich im Weg stehen, weil Sie relevant und nur schlecht kopierbar sind (überdenken Sie den Einsatz von Systemanbietern gründlich).
  2. die Ihre Kunden eher als Verlust bei einem Anbieterwechsel wahrnehmen, als einen Gewinn für den Verbleib bei Ihnen.
  3. die nicht unüberwindbar sind. Denn so knebeln Sie Ihren Kunden und erzeugen Unzufriedenheit.

Legen Sie also los und halten Sie Ihre Kunden.

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Über den Autor

Dr. Michael Stiller ist Impulsgeber und Umsetzer für die Themen Strategie, Marketing & Vertrieb. Seit über 20 Jahren berät er Unternehmen zu diesen Themen und scheut sich auch nicht Verantwortung – z.B. als Interim Manager – für die Umsetzung zu übernehmen. Seine Erfahrungen und Wissen teilt er hier und in seinem Podcast.

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