Passive Kunden sind seit der Liberalisierung des Energiemarktes eine Art heilige Kuh für Grundversoger. Sie wollen einfach nicht den Anbieter wechseln, nicht einmal den Vertrag. Sie zeigen sich resistent für jegliche Form der Marktbearbeitung… Moment… für jegliche Form der Marktbearbeitung?
Passive Kunden aus Angst oder Passion?
Es gibt nur wenige Erkenntnisse darüber, warum passive Kunden wirklich passiv sind. Das ist aber auch nicht verwunderlich. Denn wenn sie gerne und aktiv an Marktforschungs-Studien teilnehmen würden, wären sie ja nicht mehr passiv. Studien zu passiven Kunden, die vor allem als Bezahlstudien angeboten werden, sind daher mit Vorsicht zu genießen.
Es wird also bei Hypothesen bleiben, warum ein passiver Kunden so passiv ist. Sicherlich ist eine mögliche Begründung hierfür die Angst vor dem Wechsel. Viele von uns können sich noch an die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes erinnern: Bei einem Wechsel weg von der Telekom blieb die Leitung schon mal ein bis zwei Wochen tot. Gut, in diesem Fall konnte man sich noch mit dem Gang zur Telefonzelle behelfen. Beim Strom wäre das schon schwieriger. Ein, zwei Wochen mit Batterie-Betrieb wären nicht wirklich wünschenswert.
Dieser Grund wird sich aber „rauswachsen“. Das mag auch ein guter Grund dafür sein, dass sich auch in dieser Kundengruppe eine steigende Kündigerquote beobachten lässt. Denn sowohl Wettbewerber als auch staatliche sowie staatsnahe Organisationen bemühen sich um die Aufklärung, um den Wettbewerb zu fördern und damit – so der Wunsch der Politik – die Energiekosten der Bürger zu senken.
Das bringt uns zum zweiten Grund für diese Passivität: Die Überzeugung der Kunden, dass sich ein Wechsel schlichtweg nicht lohnt. Und hier wirkt der steigende Wettbewerb und Druck durch die Politik genau gegenteilig. Denn hierdurch wird der Preiskampf gefördert, was natürlich die mögliche Ersparnis durch den Wechsel weiter schmälert. Das Aufwachen dieses Teils der Klientel wird mit der Zeit also immer unwahrscheinlicher.
Passive Kunden schlafen auch beim Cross-Selling
Was auch immer der Grund für die Passivität der Kunden ist, es ist für jeden Grundversorger, bei dem ich Einblick habe, eine relevante Kundengruppe. Und zwar mit einem Anteil von 30 – 60% des gesamten Kundenstamms. Und darin liegt auch die Herausforderung für die Grundversorger.
Denn aktuell glauben nur noch sehr wenige von Ihnen an eine Renaissance der Commodity. Die allermeisten sind zu der Einsicht gelangt, dass die aktuelle Kundenbeziehung sich langfristig nur lohnen kann, wenn sie zu intensivem Cross-Selling genutzt wird. Doch ein passiver Kunde ist ja passiv – auch wenn man ihm andere Produkte anbietet.
Wenn man also Cross-Selling intensiv betreiben möchte, dann müssen diese passive Kunden aktiviert werden. Doch das hat seinen Preis: denn aktive Kunden werden ja nicht nur bei den Cross-Selling-Produkten aktiv. Sie werden auch bei der Commodity aktiv. In der Konsequenz kündigen diese Kunden auch verstärkt.
Doch Sie werden diese Kunden brauchen. Wecken Sie sie also auf. Aber bitte behutsam. Denn nur, wenn diese Kunden in Ihnen beim Aufwachen einen verlässlichen Partner erkennen, werden Sie sich nicht erschrecken (bzw. werden Sie sie nicht verschrecken). Und dann kann so ein gemeinsames Wachwerden ja auch etwas Schönes sein.