„Im nächsten Jahr wollen wir mehr Wachstum – und achten Sie dabei darauf, dass der Gewinn nicht einbricht.“ Kennen Sie diese Anforderungen von Ihrem Chef oder Ihren Gesellschaftern? Mehr Wachstum. Mehr Gewinn. Geht das überhaupt?

Gewinn erzielen wollen sicherlich die allermeisten Gesellschafter und Manager. Woher dann dieser Drang zu wachsen? Klar, Wachstum ist sexy – und medienwirksam:

Dank aggressiven Wachstums erzielt ein Softwareunternehmen seinen Vorjahresumsatz im ersten Halbjahr. Der Shooting Star der Systemgastronomie öffnet noch in diesem Jahr 50 neue Restaurants. Das hippe Start Up wird in den nächsten 5 Monaten seine Mitarbeiterzahl verdoppeln.

All das macht natürlich mächtig Eindruck. Und irgendwie gehen wir davon aus: Wer wächst, dem geht es gut. Und wem es gut geht, der erzielt auch Gewinn.

Es gibt viele Gründe für Wachstum

Zunächst einmal ist der Wachstumsgedanke in unserem Wirtschafts- und Finanzsystem verankert. Schneller, höher, weiter. Und wir müssen auch wachsen. Zumindest wenn wir langfristig überleben wollen. Denn ein reiner Stillstand kommt eher einem Dahinsiechen gleich, wie auch schon Cuno Pümpin Anfang der 80er Jahre in seinen Forschungen zu Erfolgspositionen darlegt.

Das liegt natürlich auch daran, dass wir immer davon ausgehen, dass auch die anderen wachsen wollen. Und wenn wir uns mit dem zufrieden geben würden, was wir haben, würden wir – durch das Wachstum aller anderer – eben schrumpfen. Es steckt also im Wachstumsgedanken auch so etwas wie ein motivierender, sportlicher Wettbewerbsgedanke.

Nicht zuletzt gibt es auch gute wissenschaftliche Gründe zu wachsen: Ältere Studien legen eine enge Verbindung zwischen Wachstum und Erfolg nahe. Die traditionsreiche PIMS Studie ist da z.B. zu nennen. Sie untersucht, welche Faktoren sich auf den Erfolg von Geschäftseinheiten auswirken. Und in den 70ern fand man heraus, dass mit der Erhöhung des Marktanteils auch der ROI steigt.

Wachstum frisst Gewinn

Nun gibt es aber ein Problem mit dem Wachstum: Wachstum frisst Gewinn. Denn in den wenigsten Fällen können Sie wachsen ohne zu investieren. Sie müssen werblich aus der Masse Ihrer Wettbewerber herausstechen. Sie müssen neue Kunden erreichen, neue Märkte erschließen. Sie müssen Handelsplätze erobern oder sichern und Vertriebskanäle für sich gewinnen.

Häufig müssen Sie auch die Produkte Ihrer Wettbewerber beim Kunden verdrängen. Dafür müssen Sie klare Wettbewerbsvorteile entwickeln. Sie müssen eventuell auch Kostenvorteile und damit Produktions- oder Prozessvorteile entwickeln. Und nicht zuletzt müssen Sie all das Erreichte auch wieder sichern.

Genau das sind also die Bereiche, in denen Sie investieren müssen, um zu wachsen. So hat Pümpin ebenfalls herausgearbeitet, dass Sie für den langfristigen Unternehmenserfolg entweder gewinn-, wachstums- oder wettbewerbsorientiert vorgehen müssen. Aber auch, dass es eben nicht möglich ist, alles Gleichzeitig zu erreichen.

Was sagen Sie also Ihrem Chef, wenn er die zu Beginn beschriebene Aufgabe stellt? Ein klares ‚Nein‘? Das kommt ja bekanntlich nie gut. Von daher wäre ein „alles zu seiner Zeit“ vielleicht angebrachter. Denn nur mit Wachstum werden Sie nicht überleben. Manchmal müssen Sie wachsen, um profitabel sein zu können. Aber es gibt auch andere Wege, um beim Gewinn zu wachsen.

Irgendwann wird Gewinn wichtiger als Wachstum

Wachstum als Selbstzweck führt nicht zu einer sinnvollen Zielgestaltung. Es gibt unzählige Unternehmen, die mit einer reinen Wachstumsorientierung nicht erfolgreich waren. So wurden in einer Studie Gemeinsamkeiten von gescheiterten Unternehmen untersucht. Und einer von vier Hauptmustern sind übermäßige Expansionen.

Sie bringen Unternehmen nämlich schnell voran, schnell in die Schlagzeilen. Eine zu schnelles Wachstum frisst aber auch schnell die liquiden Mittel auf. Crumbs Bake Shop war Teil der 500 schnellwachsendsten Unternehmen der USA im Jahr 2010. Wenige Jahre später wurde das Unternehmen liquidiert. Sie verkauften ausschließlich Cupcakes und waren davon ausgegangen, dass das auch als zukünftige Strategie taugt. Das Social Gaming Unternehmen Zynga zog 5 Jahre nach der Gründung in ein 228 Mio. $ teures Büro. Im Jahr darauf musste 18% der Belegschaft entlassen werden, nochmal 15 weitere Prozent der Belegschaft musste das Unternehmen im Jahr darauf verlassen.

Deswegen ist es sinnvoll, Ihre Wachstumsziele mit Gewinnzielen zu koppeln. Ein „too big to fail“ gibt es nicht. So fanden Himme und Edeling auch  heraus, dass mittlerweile andere Faktoren stärker mit einer Gewinnsteigerung einher gehen. So führt ein Prozentpunkt Marktanteilszuwachs zu einer Gewinnsteigerung von 0,13%. Die Markenstärke wirkt sich mehr als doppelt so stark aus. Die Kundenbindung wirkt sich sogar mehr als 6 mal so stark auf den Gewinn aus.

Wachstum führt zu Gewinn führt zu Wachstum

Im Mittelpunkt der Wachstumsstrategie steht also die Frage: Was motiviert uns eigentlich zum Wachstum? Erst wenn man das weiß, kann man gezieltes Wachstum vorantreiben. Dabei sollte man auch berücksichtigen, wie wachstumsbedingte Kosten sich auf das Geschäft auswirken. Das darf auch durchaus mal schmerzhafter sein. Man sollte jedoch stets mitdenken, wann die Zahlen wieder schwarz werden.

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Über den Autor

Dr. Michael Stiller ist Impulsgeber und Umsetzer für die Themen Strategie, Marketing & Vertrieb. Seit über 20 Jahren berät er Unternehmen zu diesen Themen und scheut sich auch nicht Verantwortung – z.B. als Interim Manager – für die Umsetzung zu übernehmen. Seine Erfahrungen und Wissen teilt er hier und in seinem Podcast.

Published On: 04. November 2020 / Kategorien: Blog, Strategie / Schlagwörter: , , , /

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