Viele Unternehmen behaupten, dass ihre Produkte eine sogenannte „Unique Selling Proposition“ (USP) haben. Ein USP ist ein „echtes“ Alleinstellungsmerkmal eines Produkts. Die Wahrheit ist jedoch, dass ein solches USP nur in den seltensten Fällen tatsächlich existiert. Denn die meisten Unternehmen verfügen selten über bahnbrechende Innovationen wie damals das iPhone.
Trotzdem können auch Unternehmen ohne disruptive Innovationen Wettbewerbsvorteile schaffen. Was aber häufig nicht gesehen wird: Ein Wettbewerbsvorteil ist nur dann ein Vorteil, wenn der Kunde ihn als Vorteil wahrnimmt.
Viele Unternehmen glauben, dass Wettbewerbsvorteile durch bessere Prozesse, Ingenieursleistung oder Erfindergeist geschaffen werden. Dabei vernachlässigen sie oftmals die Perspektive des Kunden. Denn am Ende zählt, ob der Kunde den Vorteil überhaupt als solchen wahrnimmt.
Wettbewerbsvorteile – Nutzenvorteil und Preisvorteil
Und aus dem Grund gibt es auch ganz grundsätzlich nur zwei Arten von Wettbewerbsvorteilen: Den Nutzenvorteil und den Preisvorteil.
Ein Nutzenvorteil entsteht, wenn sich beim Einsetzen des Produkts etwas für den Kunden in der Anwendungssituation ändert. Entweder hilft das Produkt in der spezifischen Anwendungssituation Frustmomente zu lindern oder ganz zu vermeiden. Oder es steigert oder schafft Freude, Spaß in der jeweiligen Anwendungssituation.
Dies gilt sowohl für den B2C- als auch für den B2B-Bereich. Im B2B-Bereich wird Freude beispielsweise gesteigert, wenn gewisse Maschinen Produkte besser produzieren können als andere. Frust wird reduziert, wenn Maschinen Anwendungsprobleme vermeiden, die bei anderen Maschinen auftreten. In beiden Fällen entsteht ein Nutzenvorteil.
Ein Nutzenvorteil ermöglicht es Unternehmen, an der Preisbereitschaft der Kunden zu arbeiten. Denn verbessert ein Produkt eine spezifische Anwendungssituation, schafft es für Kunden einen Wert. Ist dieser Wertzuwachs relevant, sind Kunden auch bereit, einen höheren Preis zu bezahlen.
Ein Preisvorteil entsteht, wenn ein Produkt den gleichen Nutzen bietet wie vergleichbare Produkte, aber zu einem niedrigeren Preis. Ein echter Preisvorteil basiert auf einer niedrigeren Kostenstruktur als die der anderen Anbieter. Sei es durch effizientere Prozesse in der Wertschöpfung oder geringere Zuliefer- und/ oder Mitarbeiterkosten.
Natürlich kann ein Preisvorteil auch durch den Verzicht auf Marge geschaffen werden. Dieser Ansatz wird häufig gewählt, um Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Es ist aber kein substanzieller Wettbewerbsvorteil. Deswegen sollten sich Unternehmen im Vorfeld gut überlegen, ob sie wirklich so lange auf die Marge verzichten können, bis der Wettbewerber vom Markt ist. Zudem ist zu überlegen, was eine solche Strategie mit den Marktpreisen auf lange Sicht macht.
Wettbewerbsvorteile müssen nicht immer dauerhaft und „global“ sein
USPs oder auch Wettbewerbsvorteile werden häufig als global betrachtet. Das muss aber nicht so sein. Wettbewerbsvorteile können auch wirken, wenn sie nur „lokal“ bestehen. Sei es zu einem bestimmten Zeitpunkt, an einem bestimmten Ort oder für eine bestimmte Kundengruppe.
Es erscheint zwar überraschend, aber der Haustürverkauf von Gas- und Stromtarifen in der Energiewirtschaft funktioniert nach wie vor auf dieser Basis:
Viele Menschen haben nie einen Vertrag mit einem Energieversorger abgeschlossen. Sie befinden sich in der sogenannten Grundversorgung. Ein Tarifform, die in den meisten Fällen deutlich hochpreisiger ist, als andere Tarife. Das wissen die meisten Kunden nur nicht, da es sich um ein low involvement Produkt handelt.
Präsentiert ein Haustürverkäufer jetzt einen Vertrag mit einem günstigerem Tarif, hat er einen punktuellen Wettbewerbsvorteil – allerdings auch nur in dieser Verkaufssituation. Würde sich der Kunde in eine andere Situation begeben, wird er meist noch günstigere Tarife finden.
Solche oder ähnliche Situationen lassen sich immer wieder erzeugen. Oder sie ergeben sich, wie wir es in der Pandemie häufig erlebt haben. Eine bessere Distribution, leichteres „Onboarding“, Informationsasymmetrien und andere Effekte können Produkten zu temporären Wettbewerbsvorteilen verhelfen.
Allerding können temporäre Wettbewerbsvorteile auch ein Risiko aufweisen: Lösen sich die Effekte auf, die zum temporären Wettbewerbsvorteil geführt haben und merken Kunden, dass andere Produkte doch überlegen gewesen wären, dann kann es zur Kaufreue kommen. Unternehmen sollten diesen Effekt also immer mit in die Überlegung einbeziehen, wenn sie einen temporären Wettbewerbsvorteil nutzen wollen.
Fazit
Nur wenige Unternehmen verfügen über ein echtes Alleinstellungsmerkmal (USP). Trotzdem können sie Wettbewerbsvorteile generieren. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Wettbewerbsvorteilen: den Nutzenvorteil und den Preisvorteil. Beide wirken jedoch nur dann, wenn der Kunde den Vorteil als solchen wahrnimmt. Wettbewerbsvorteile müssen zudem nicht immer dauerhaft oder global sein. Unternehmen können auch temporäre Wettbewerbsvorteile schaffen. Allerdings müssen sie berücksichtigen, dass dies zu Kaufreue führen kann.