Unsere Whatsapp -Chatverläufe sind voll davon: Witze über die Hamsterkäufe von Klopapier und Nudeln. Doch wer Nachschub braucht und keinen bekommt, stellt sich die Frage: „Was ist denn hier eigentlich los?“ Da stellt sich schnell die Frage: „Sind die Leute denn verrückt?“

Genauer betrachtet sind die Hamsterkäufe jedoch gar nicht verrückt. Vielmehr folgen sie erklärbaren Handlungsmustern. Und in der Konsumentenpsychologie haben wir viele Modelle und Effekte, die genau dies leisten.

In aller Munde macht es wahrscheinlicher

Was glauben Sie? Gibt es mehr Worte, die mit „k“ beginnen oder bei denen „k“ an der dritten Stelle steht? Wenn Ihnen nun als erstes „Klopapier“, „Kaffee“ oder „Küssen“ einfällt, denken Sie absolut normal. Das beleget eine Studie aus den USA von Kahneman und Tversky.

Deren Probanden gaben nämlich zu 70% an, dass sie glauben, mehr Worte beginnen mit „k“. Tatsächlich existieren in der englischen Sprache 3x so viele Worte, bei denen das „k“ an dritter Stelle steht. Nur „Haken“, „Anker“ oder „Abkaufen“ fallen einem nicht so schnell ein wie Worte, die mit „k“ beginnen.

Informationen, die also leichter verfügbar sind, werden auch als wahrscheinlicher empfunden. Genau dies besagt auch die Verfügbarkeitsheuristik. Und nachgewiesen wurde sie unter anderem mit obigem Experiment.

Was hat das aber mit dem Klopapiernotstand zu tun? Mehr als den Anfangsbuchstaben. Denn die Medien haben sehr früh und sehr intensiv über diesen Umstand berichtet. Und auch in den sozialen Medien ging diese Meldung mit hohem Druck rum. Diese Information war also leicht verfügbar. Und damit wird es auch sehr viel wahrscheinlicher, dass auch ich kein Toilettenpapier mehr bekommen werde.

Die Information, dass die Produktionskapazitäten erhöht wurden und auch die Lieferketten deutlich verstärkt wurden, waren (und sind es auch jetzt noch) deutlich schwerer zu ermitteln. Und unabhängig davon, ob es am Anfang wirklich einen Klopapiernotstand gab: Nun bekomme ich es mit der Angst zu tun. Denn ein Leben ohne Klopapier kommt zumindest uns sehr komisch vor.

Kleine Stichprobe, große Wirkung

Verstärkt wird dieses Gefühl noch vom Effekt der Base Rate Fallacy. Bei diesem Effekt verändern Sie nämlich (unbewusst) Ihre statistische Grundgesamtheit.

So stand ich letztens ungefähr 5m von unserem Baby-Planschbecken entfernt. Die Füllhöhe lag ca. bei 20cm. Unsere einjährige Tochter planschte vergnügt. Ich saß auf dem Gartenstuhl und habe das beobachtet. Eigentlich war alles ganz entspannt.

Dann sagte mir mein Besucher, dass bei einem Bekannten seines Nachbars das Kind beinahe in genau so einem Planschbecken ertrunken wäre. 20cm Füllhöhe, 5 Meter zu überbrücken. Trotzdem wurde ich Nervös. Denn plötzlich war ein Fall bereits in meinem näheren Umfeld aufgetaucht. Dadurch fühlte sich die Wahrscheinlichkeit deutlich größer an.

Genau das besagt der Effekt der Base Rate Fallacy. Denn schnell haben wir in irgendwelche Whatsapp-Gruppen erfahren, dass nun ein Nachbar einer unserer Chatpartner auch kein Klopapier mehr bekommen hat. Die Chance, dass mir das jetzt auch passiert, schätze ich nun als immer größer ein.

Zudem kommt noch das Prinzip der sozialen Bewährtheit. Oder: „Was alle tun, ist gut.“ Wenn ich nämlich nun das Gefühl haben, dass alle Hamsterkäufe tätigen, dann werde auch ich das tun. Es kann ja nicht schlecht sein, wenn es alle anderen machen. (Ich nenne das auch ganz gerne das Lemming-Prinzip.)

Klopapier? Muss ich haben!

Sammler kennen den Effekt: je geringer die Auflage, desto größer der Wunsch, es zu besitzen.  Worchel, Adewole & Lee haben in einem Experiment genau diesen Effekt untersucht. Sie stellten Probanden Schälchen mit Keksen auf den Tisch. Die waren mal mehr und mal weniger gefüllt. Dann fragten Sie ihre Probanden, wie gut ihnen die Plätzchen geschmeckt haben. Es zeigte sich: je leerer die Schale, desto besser die Bewertung.

Dieser Effekt wird Knappheitsprinzip genannt. Je weniger von einem Produkt für uns verfügbar ist, desto wertvoller erscheint es uns. Dabei kommt es aber gar nicht auf eine objektive Verfügbarkeit an. Es reicht, wenn wir den Eindruck bekommen, es wäre nicht mehr verfügbar. Der ein oder andere Verkäufer setzt diesen Effekt der subjektiven Knappheit auch gerne ein.

Genau diesen Mechanismus lösen also auch leere Supermarktregale aus. Klopapier wird für Sie schlagartig kostbarer, wenn es scheinbar nicht da ist. Das ist der Fall, obwohl sie vielleicht zu Hause noch 6 Rollen haben und sie in den Medien nichts von Versorgungsengpässen gehört haben. Sie müssen es einfach haben!

Weniger ist mehr

Wenn sie Apfelsaft kaufen möchten und es gibt nur Orangensaft, ist das natürlich doof. Dennoch haben Untersuchungen gezeigt, dass eine größere Auswahl zu geringeren Käufen führt.

Man kennt den Effekt aus der Gastronomie: Eine Karte mit 50 verschiedenen Gerichten lässt einen ratlos zurück. Aus 5 verschiedenen Gerichten findet man schnell etwas, was einem schmeckt.

Jetzt sagen Sie: Ich hätte aber gerne die Auswahl zwischen 3- oder 4-lagig, öko oder normal und Markenprodukt und Handelsmarke. Doch spätestens wenn Sie sehen, dass es  keine Alternative gibt, kaufen Sie eben das, was es gerade gibt. Denn sobald wir den Mangel an Alternativen bemerken, steigert sich der Produktwert.

Bevor es der Markt regelt, regeln Sie es

Mittlerweile ist Klopapier, genauso wie Nudeln vielerorts wieder verfügbar. Der Handel hat  schnell reagiert und bietet 5 kg Packungen Nudeln und 20er Pakete Klopapier an. Den Klopapier- und Nudelmangel hat es ja auch nie objektiv gegeben.

Aber trotzdem ist es wichtig, dass wir auch das Verhalten unserer Kunden verstehen. Auch wenn er nicht immer rational entscheidet. Denn so sind wir auch für die nächsten Krisen gewappnet. Und wir können das Verhalten unserer Kunden steuern. In Krisenzeiten sowie in „normalen“ Tagen. Natürlich stets unter Beachtung der ethischen und moralischen Ansprüche an uns selbst.

Und da auch unsere Hirnleistung leicht steuerbar ist, können Sie das gerade gelesene auch gerne mit unserem Podcast wiederholen.

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Über den Autor

Dr. Michael Stiller ist Impulsgeber und Umsetzer für die Themen Strategie, Marketing & Vertrieb. Seit über 20 Jahren berät er Unternehmen zu diesen Themen und scheut sich auch nicht Verantwortung – z.B. als Interim Manager – für die Umsetzung zu übernehmen. Seine Erfahrungen und Wissen teilt er hier und in seinem Podcast.

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