Sie kennen das: Nahezu euphorisch gehen Sie in eine Verhandlung und merken während des Gesprächs, wie Ihr Ziel in immer weitere Ferne rückt. Und Sie können nichts mehr dagegen unternehmen. Häufig liegt das daran, dass Sie den ersten Fehler nicht IN der Verhandlung begangen haben sondern VOR der Verhandlung.
Prof. Leigh Thompson geht in ihrem Buch „The mind and the heart of the Negotiator“ davon aus, dass 80% der Verhandlungsarbeit in der Vorbereitung stecken sollte. Und hier steckt auch schon der erste Fehler. Denn laut einer Studie der Negotiation Academy Potsdam sind es im Schnitt nur 44%, die Manager in die Vorbereitung stecken.
80% stecken in der Vorbereitung der Verhandlung
Einige von Ihnen werden sagen: „Klar bereit ich mich vor. Aber womit soll ich mich denn 80% der Zeit beschäftigen?“ Das liegt daran, dass wir uns häufig vor allem mit dem Verhandlungsobjekt beschäftigen. Wie sind die aktuellen Preise? Was sind die Lieferzeiten? Was haben wir zuletzt bezahlt? Wie haben sich die Preise bei meinem Verhandlungspartner entwickelt?
Doch das ist eigentlich nur ein kleiner Teil der Verhandlungsvorbereitung. Denn im groben sollten Sie sich mit folgenden Themen in der Vorbereitung beschäftigen:
- Was sind Ihre Ziele?
- Welche Interessen verfolgt Ihr Gegenüber?
- Wie organisieren Sie sich für das eigentliche Verhandlungsgespräch?
Wenn Sie diese drei Aspekte in der Vorbereitung abarbeiten, haben Sie bereits viel getan, um während der Verhandlung nicht in die Falle zu laufen. Digitale Vertriebstools – sogenannte Sales Inteligence Tools – können Ihnen diese Vorbereitung zusätzlich erleichtern, weil Sie viele wichtige Informationen über Ihre Zielkunden mit wenigen Klicks einsehen können.
Die eigenen Ziele kennen
Zunächst sollten Sie einmal festlegen, was Ihre Ziele sind. Das hört sich für Sie trivial an? Das kann ich gut verstehen. Denn schließlich wissen Sie ja was Sie wollen? Aber jetzt auch so ganz genau? Denn in einer Verhandlung kommt es nicht darauf an, so grob die Richtung zu wissen. Denn mit diesem Wissen lässt sich jede Verhandlung in einen Erfolg umdeuten und wird sich doch wie eine Niederlage anfühlen.
Überlegen Sie sich ganz genau: Was ist mein Maximalziel? Formulieren Sie dieses Ziel so konkret wie möglich. Und schreiben Sie es idealerweise auf. Oft hilft hier die sogenannte SMART-Regel: Sie formulieren Ihr Ziel Spezifisch, Messbar, Akzeptierbar, Realistisch und Terminierbar. So können Sie sicher gehen, dass Ihr Ziel so konkret formuliert ist, dass es Ihnen eine Richtung gibt.
Aber Sie sollten nicht nur formulieren, was Sie erreichen möchten. Sie sollten auch definieren, was Sie NICHT erreichen wollen. Damit ist das Ergebnis der anstehenden Verhandlung gemeint, bei dem Sie vom Tisch aufstehen, ohne einen Abschluss erzielt zu haben. Man nennt diesen Zustand auch „Walk-away-Ziel“.
Es gibt immer eine Alternative
Das bringt Sie natürlich auch direkt zu der Frage: Was passiert eigentlich, wenn ich dann wirklich ohne Deal aufgestanden bin? Welche Alternativen bleiben mir, wenn die Verhandlung nicht erfolgreich ist?
In der sogenannten Harvard-Methode ist dieser Gedanke ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Denn diese beste Alternative zum Verhandungsabschluss (best alternative to a negotiated agreement (BATNA)) hilft Ihnen in der Verhandlung nicht zu verzweifeln. Denn wenn Sie in der Verhandlung verzweifeln, werden Sie emotional. Und wenn Sie emotional werden, machen Sie Fehler.
Überlegen Sie sich also genau, wann es günstiger für Sie wird, die Verhandlung abzubrechen und was dann passiert. Um diese Alternative zu erarbeiten, stellen Sie sich Fragen wie: Gibt es alternative Anbieter? Muss ich bei einem alternativen Anbieter die Produktion umstellen? Welche Rüstkosten bringt ein Anbieterwechsel mit sich? Kann ich auf das Leistungsangebot komplett verzichten? Wenn ja, mit welchen Konsequenzen?
Erst wenn Sie diese Punkte durchdacht haben, sind Ihnen Ihre Verhandlungsziele bewusst. Aber das alleine reicht nicht, um perfekt auf Verhandlungen vorbereitet zu sein. Sie müssen sich nämlich auch darüber klar werden, was Ihr Gegenüber für Ziele hat.
Win-win ist kein Kompromiss
Versuchen Sie sich in Ihren Verhandlungspartner hineinzuversetzen. Denken Sie dabei nicht über das eigentliche Verhandlungsobjekt nach. Versuchen Sie die Interessen Ihres Verhandlungspartners zu ergründen.
Toll ist es, wenn Sie dabei Interessen herausarbeiten können, die sich von Ihren unterscheiden, aber die sich nicht gegenseitig ausschließen. Dann können Sie nämlich eine echte Win-Win-Situation herstellen. Die ideale Ausgangssituation für eine Verhandlung.
Schreiben Sie dafür Ihre Interessen und die Ihres Partners auf. Überführen Sie diese in eine Matrix. So können Sie schnell ablesen, worauf Sie eventuell leicht verzichten können und welche Punkte wahrscheinlich hart umkämpft werden. Diese sogenannte Konzessionsmatrix ist damit die Grundlage für Ihre Verhandlungsplanung.
Gleichzeitig verdeutlicht Ihnen diese Matrix auch noch einmal, wie weit Sie in der Verhandlung gehen können. Und dadurch bewahrt es Sie auch vor faulen Kompromissen. Und manchmal wird Ihnen dadurch auch bewusst, dass sich eine Verhandlung nicht lohnen wird, da Ihre Interessen zu ausschließlich sind.
Verhandlungen den richtigen Rahmen geben
Sind Ihnen die Knackpunkte der Verhandlung bewusst, geht es an die konkrete Gesprächsvorbereitung. Dafür sollten Sie in Optionen denken. Bieten Sie nicht nur eine Variante an, bieten Sie mehrere an. Denn dadurch können Sie der Verhandlung einen Rahmen geben. Sie setzen das Framing.
Auch hier können Sie sich unterschiedlicher psychologischer Effekte bedienen. Zum Beispiel den sogenannten Decoy- oder Ködereffekt – auch als asymmetrischer Dominanzeffekt bekannt. Hierbei ergänzen Sie zwei echte Alternativen um eine Alternative, die von einer der beiden Alternativen vollständig dominiert wird, zu der anderen Alternative aber weiterhin als Alternative dient.
Der Effekt wurde nachgewiesen, indem man Studenten zwei alternative Reisen angeboten hat: Ein Wochenende in Paris mit Übernachtung und Frühstück oder ein Wochenende in Rom mit Übernachtung/Frühstück. Dabei wurden beide Alternativen mit 50%er Wahrscheinlichkeit gewählt.
Nun hat man einer anderen Gruppe das gleiche Angebot gemacht. Und dieses Angebot noch um ein Wochenende in Rom ergänzt – allerdings ohne Frühstück. Diese Variante hat natürlich niemand gewählt. Aber der Köder hat gewirkt. Denn auf einmal wählte die Mehrheit der Studenten die Reise nach Rom.
Denn die dritte Alternative hat einen Maßstab geschaffen, an dem sich die dominierende Alternative vermeintlich besser beurteilen lässt. Natürlich müssen solche Effekte in einem sinnvollen Maß eingesetzt werden. Zu konstruierte Alternativen werden nämlich bei Ihrem Gegenüber eher Reaktanz auslösen.
Im Team verhandelt es sich besser
Zu guter Letzt sollten Sie sich auch überlegen, wie Sie sich für die Verhandlung organisieren wollen. Gerade wenn es um größere Verhandlungsobjekte geht, bietet sich die von Matthias Schranner in Deutschland propagierte FBI-Methode an.
Dabei gibt es eine klare Verteilung der Rollen. Zum einen gibt es den Entscheider (Decision Maker im Original). Er legt die Ziele der Verhandlung fest, definiert das Walk-Away-Ziel, erarbeitet die BATNA und baut die Konzessionsmatrix auf. Er ist auch derjenige, der das Verhandlungsergebnis verantwortet, sitzt aber nicht am Verhandlungstisch.
Am Verhandlungstisch hat nämlich der Verhandler das Sagen (Negotiator im Original). Er ist der einzige und direkte Ansprechpartner für Ihr Gegenüber. Er verweist aber darauf, dass er für bestimmte Entscheidungen Rücksprache mit seinem Manager halten muss. In welchem Rahmen er Entscheidungen treffen darf, hat ihm der Entscheider im Vorfeld mitgeteilt.
Zusätzlich gibt es noch den Beobachter (Commander im Original). Er sitzt auch am Verhandlungstisch, greift aber nicht in das Verhandlungsgespräch ein. Seine Aufgabe ist es, der Verhandlung mit einer gewissen Distanz zu folgen. Wird er direkt angesprochen, antwortet er höflich aber bestimmt, dass zu Verhandlungsfragen sein Kollege – der Verhandler – der viel bessere Ansprechpartner ist.
Denn wenn der Beobachter nicht direkt involviert ist, gibt ihm das zum einen die Möglichkeit mehr denken zu können (er muss ja nicht reden) und er bleibt emotional unangetastet. Das ermöglicht es ihm, dem Verhandler zu signalisieren, wenn er eine Pause machen sollte. Oder er kann ihm Dinge mitteilen, die ihm eher auffallen, als dem Verhandler. Das geht soweit, dass der Beobachter auch das Recht hat, den Verhandler auszutauschen.
All diese Rollen dienen dazu, Emotionen aus der Verhandlung rauszuhalten. Kommen diese nämlich ins Spiel, riskieren Sie irrational zu handeln – und Fehler zu machen. Und genau das wollen wir ja mit diesem Beitrag hier vermeiden. Gehen Sie es also an. Und sollten Sie das Thema noch einmal vertiefen, bietet sich unser Podcast an – oder Sie reden direkt mit uns.
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Über den Autor
Dr. Michael Stiller ist Impulsgeber und Umsetzer für die Themen Strategie, Marketing & Vertrieb. Seit über 20 Jahren berät er Unternehmen zu diesen Themen und scheut sich auch nicht Verantwortung – z.B. als Interim Manager – für die Umsetzung zu übernehmen. Seine Erfahrungen und Wissen teilt er hier und in seinem Podcast.