Wieder einmal haben Kollegen eine groß angelegte Konsumentenstudie durchgeführt – diesmal war es PwC (Bevölkerungsbefragung Stromanbieter). Die Ergebnisse reihen sich in die Ergebnisse ähnlich angelegter Studien ein: Über die Hälfte der Bundesbürger kann sich einen Wechsel vorstellen, Hauptwechselgrund ist der Preis. Doch was fängt man mit diesen Erkenntnissen an?
Nimmt man die Ergebnisse dieser oder anderer Studien ohne weiteres Nachfragen hin, kann daraus nur eine Schlussfolgerung getroffen werden: Möchte man Kunden abwerben, müssen die Preise runter. So geben auch in dieser Studie 90% (!) die „günstigeren Preise des neuen Stromanbieters“ als ausschlaggebenden Grund für einen Wechsel an. Und immerhin 84% geben an, dass sie ihre Kosten kennen. Ganz folgerichtig haben sich – laut Studie – 57% der Befragten in den letzten 12 Monaten auch über ein Preisvergleichsportal informiert. Wobei – wirklich ganz folgerichtig? So haben doch auch 58% der Befragten gesagt, dass sie „zufrieden“ mit Ihren Strompreisen sind. Eventuell lohnt sich doch ein näherer Blick in die Ergebnisse.
Zu einer sauberen Interpretation einer Befragung gehört zunächst einmal das Betrachten der Rahmenfaktoren. Leider tendiert die Branche dazu, das Interesse Ihrer Kunden am Produkt Strom zu überschätzen. Doch es gibt viele Hinweise darauf, dass diese Produktkategorie eher zu den „low Involvement“ Produkten gehört, also Produkte, über die nur wenige Informationen eingeholt werden und über die auch nur wenig nachgedacht wird. (Allerdings kenne ich hierzu keine konkrete Studie, so dass ich mich hier auch nur auf Anhaltspunkte berufen kann. Solche liefert z.B. eine Studie des DEBRIV (Studie).) Trifft der Interviewer also auf den Befragten (oder – wie in diesem Fall – liest der Befragte den Fragebogen), so ist davon auszugehen, dass dieser eher impulsiv antworten wird und etwaige geäußerte Meinungen eher spontan entwickelt hat. Das hat eine Auswirkung auf das Antwortverhalten, da niemand gerne eine Frage mit „weiß nicht“ beantwortet. So werden teilweise Antworten bzw. Meinungen gegeben, die man woanders (z.B. in der Presse) aufgenommen hat oder von denen man ausgeht, dass das Umfeld diese Antworten gut (sozial erwünscht) finden würden. In der vorliegenden Befragung kann dies zum Beispiel auf das Thema Preis zutreffen. Denn ein „nein“ auf die Frage „Kennen Sie den monatlichen Betrag“ würde ja bedeuten, dass man seine eigenen Finanzen nicht im Griff hätte. Darüber hinaus sind dem Befragten Kategorien vorgeschrieben worden, die es aufgrund Ihrer Spannweite einfach machen, zu antworten. Um aber zu beurteilen, ob ein Angebot des Wettbewerbs günstig ist, müsste ich meine Kosten schon deutlich genauer kennen, als beispielsweise in der Kategorie 26-50 €.
Der ein oder andere wird jetzt denken: Aber irgendwas muss doch dran sein, wenn alle Studien den Preis als wichtigsten Wechselgrund nennen! Stimmt! Natürlich ist der Preis ein Marketinginstrument, dass immer eine Wirkung hat. Die Frage muss aber lauten: Wie hoch ist diese Wirkung? Nach meiner Theorie nicht so hoch, wie diese Studien erscheinen lassen. Denn wenn man in diese Studien schaut, so wird auch schnell klar, dass die Befragten kaum die Leistungen der Versorger kennen (z.B. kennen 82% Smart Home nicht oder kennen sich damit nicht aus). Doch aus der allgegenwärtigen Presse kennt man 2 Eigenschaften eines Stromvertrages: Ökostrom und Preis. Andere Eigenschaften sind schlichtweg unbekannt.
Und hier liegt der eigentliche Erkenntnisgewinn: Wenn man nicht als Discounter agieren will, muss man dafür sorgen, dass der Kunde Leistungen kennen lernt, die ihm das Differenzieren von Stromprodukten ermöglicht. Denn was der Kunde nicht kennt, kann er auch nicht beurteilen. Oder frei nach Henry Ford „Hätte ich die Menschen gefragt, was sie wollen, hätten sie gesagt: Schnellere Pferde!“