Haben Sie eigentlich immer das Buying Center Ihres Kunden im Griff? Oder ist es Ihnen auch schon passiert, dass Sie einen Deal verloren haben, weil plötzlich im Verhandlungsprozess eine völlig neue Person auftauchte? Das wird Ihnen nicht mehr passieren, wenn Sie das Buying Center durchschaut haben.

Wer ist dieses Buying Center?

Jeder trifft jeden Tag Kaufentscheidungen. Die meisten davon trifft man schnell und ohne Einbindung Außenstehender. Auch im geschäftlichen Kontext werden Büromittel oder einfache Verbrauchsgüter automatisiert gekauft. Bei komplexeren und/oder teureren Anschaffungen ist es in der Regel aber nicht eine Person alleine, die das „Go“ geben kann. Dann sind ganz unterschiedliche Personen mit unterschiedlichen Rollen beteiligt: Das Buying Center!

Das Buying Center beschreibt vor allem die unterschiedlichen Rollen in einem Kaufprozess. Diese Rollen werden gerade bei komplexen Entscheidungen häufig von unterschiedlichen Personen ausgefüllt. Dennoch kann auch eine einzelne Person mehrere Rollen ausfüllen. Insgesamt lassen sich sechs unterschiedlich motivierte Rollen unterscheiden, die für den Einkaufsprozess relevant sind:

  • der Initiator,
  • der Gatekeeper,
  • der Nutzer,
  • der Einkäufer,
  • der Entscheider und
  • der Beeinflusser.

Nicht in jedem Kaufprozess sind alle Rollen vertreten und ihr Einfluss variiert. Deswegen ist es umso wichtiger, die Rollen, aber auch das Konzept Buying Center zu verstehen.

Buying Center

Frühe Ansatzpunkte beim Buying Center

Gehen wir von einem produzierenden Betrieb aus. Eine in die Jahre gekommene Drehmaschine produziert nicht mehr mit den benötigten Toleranzen und die Reparaturversuche der Maschinisten scheitern. Sie melden ihrem Vorarbeiter: Hier muss etwas passieren. Der Maschinist ist in diesem Falle der Initiator – er startet den Kaufprozess (vgl. auch Blogbeitrag).

Der Vorarbeiter leitet den Bedarf weiter. Dabei verschweigt er mehr oder weniger zufällig die Option, die Maschine reparieren zu lassen. Denn die Maschine bereitet in seiner Abteilung immer wieder Mehrarbeit und Ausfälle. Er beschließt „Jetzt ist das Maß voll“. Er ist im Buying Center der Gatekeeper, also der Türsteher. Und in dieser Rolle gibt er nur diejenigen Informationen weiter, die er für weitergebenswert erachtet. Und in diesem Falle muss die Option „Reparatur“ draußen bleiben.

Natürlich ist es schwer als Vertriebler diese beiden Rollen zu beeinflussen. Es ist häufig ein Fall für das Marketing. So geht VW Nutzfahrzeuge sicher nicht davon aus, Arbeiter als Käufer zu gewinnen. In Ihrem Spot zielen Sie trotzdem auf Spaß und Bequemlichkeit für die Nutzer der Fahrzeuge ab (vgl. Spot). Klar: Hier sollen Initiatoren und Gatekeeper beeinflusst werden.

Nutzer und Einkäufer zu verwechseln wird teuer

Der erste Kontakt des Verkäufers erfolgt dann häufig mit dem Nutzer. Er (oder sie) ist es, der häufig die Anbieter anfragt. Mit ihm sprechen und verhandeln wir auch über Leistungen. Kurzum ist es häufig der Nutzer, mit dem das „eigentliche“ Verkaufsgespräch geführt wird. Und letztendlich nennen wir dem Nutzer auch als erstes unseren Preis.

Doch Vorsicht Falle! Nur selten ist es auch der Nutzer, der über den Preis verhandelt. Zumindest sollte er es nicht. Denn das ist die Aufgabe des Einkäufers im Buying Center. Er vergleicht Angebote und versucht entsprechende Rabatte herauszuschlagen (vgl. auch Podcast).

Wenn also der Nutzer mit Ihnen beginnt über den Preis zu verhandeln, dann sollten Sie stets klar machen, dass Sie nur einmal über den Preis verhandeln. Entweder mit dem Nutzer oder dem Einkäufer. Ansonsten müssen Sie nämlich zweimal Rabatte vergeben.

Das letzte Wort liegt beim Entscheider

Zurück zu unserem Beispiel: In der wöchentlichen Führungsrunde kommt das Thema Drehmaschine auch zur Sprache. Der Vorarbeiter konfrontiert den Geschäftsführer mit seinen Anschaffungsplänen. Einen entsprechenden Preisvergleich inklusive Kaufempfehlung hat er auch schon dabei.

Als Entscheider muss der Geschäftsführer den Kauf verantworten und sein Bauchgefühl meldet ihm direkt zurück: Hier brauche ich noch eine Zweitmeinung.

Er ruft seinen alten Studienkollegen an. Der arbeitet nämlich bei einem der Maschinenbauer. Bei einem abendlichen Bier bestätigt er ihm: „Deine Kaufempfehlung ist zwar gut, aber ehrlich gesagt, hält unsere Maschine deutlich länger.“ Dieser Studienkollege erfüllt die Funktion eines Beeinflussers.

Und auch hier wird schnell klar, warum es wichtig werden kann, dass Buying Center vollständig zu verstehen. So muss man im obigen Beispiel schon ganz handfeste Wettbewerbsvorteile haben, um gegen den Studienkollegen zu bestehen. Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir vielleicht deutlich weniger Arbeit in das Angebot gesteckt oder es gänzlich anders aufgebaut.

Das Buying Center ist kein festes Gremium

Diese kleine Geschichte ist natürlich nur ein Beispiel. Nur ein paar kleine Änderungen im Ablauf und schon kann das Geschehen eine gänzlich andere Richtung annehmen. So könnte der Geschäftsführer z.B. auch einfach nur ein Budget freigeben. Er wäre dann ein Gatekeeper, der nur Angebote bis zu einer bestimmten Summe „durchlassen“ würde. Der Vorarbeiter wäre dann wahrscheinlich auch der Entscheider.

So wird schnell klar, was ich am Anfang meinte. Nicht immer müssen Rollen von unterschiedlichen Personen erfüllt werden. Und erst recht nicht lassen sich Rollen immer einer Funktion im Unternehmen zuweisen.

Gleichzeitig kann es sein, dass nicht alle Rollen besetzt sind. Bei unstrittigen Anschaffungen bleiben Beeinflusser häufig außen vor. Und Gott sei Dank auch Einkäufer. Oder der Bedarf ist so offensichtlich, dass Gatekeeping keinen Sinn ergäbe.

Eine Frage der richtigen Fragen

Ein guter Verkäufer sollte also nicht nur sein Produkt kennen. Er sollte auch wissen, wie der individuelle Beschaffungsprozess bei seinen Kunden aussieht. Denn dann kennt er die Handlungsbeteiligten, weiß wie sie miteinander in Beziehung stehen und kann versuchen, sich Motivationen herzuleiten. Er hat das Buying Center durchdrungen.

Bevor Sie sich also in den Verkaufsprozess stürzen sollten Sie sich folgende Fragen stellen:

  • Wie hat der Kunde den Kaufprozess beim letzten Mal gestaltet? Falls es der erste Kontakt ist, fragen Sie den Kunden gerade heraus: Wie gestalten Sie den Beschaffungsprozess?
  • Wie viele Vergleichsangebote werden eingeholt?
  • Wer ist alles beim Kunden involviert? Und zwar nicht nur direkt, sondern auch indirekt (Nutzer nicht vergessen). Wen könnten wir vergessen haben?
  • Wen müssen wir überzeugen?
  • Was ist den jeweiligen Personen wichtig? Und zwar nicht nur in Bezug auf den Einkauf, sondern auch persönlich. Was sind die Bewertungskriterien und wie sind diese gewichtet?
  • Und nicht zuletzt: In welcher Beziehung stehen die beteiligten Personen zueinander?

Buying Center verstehen und erfolgreicher verkaufen

Verzweifeln Sie bei all Ihren Bemühungen nicht an der Realität. Natürlich wird es für Sie als Außenstehenden selten möglich sein, alle Förderer und Bremser in ihren Motivationen zu erkennen. Doch mit geschicktem Vorgehen schaffen Sie es, zentrale Entscheidungsgründe und -strukturen offenzulegen. Liefern Sie so gezielt Antworten auf die Fragen, die ihrem Kunden selbst nicht einfallen und verkaufen Sie erfolgreicher. Am besten hören Sie zuvor auch noch einmal unseren Podcast, der sich in dieser Woche ebenso mit dem Buying Center beschäftigt.

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Über den Autor

Dr. Michael Stiller ist Impulsgeber und Umsetzer für die Themen Strategie, Marketing & Vertrieb. Seit über 20 Jahren berät er Unternehmen zu diesen Themen und scheut sich auch nicht Verantwortung – z.B. als Interim Manager – für die Umsetzung zu übernehmen. Seine Erfahrungen und Wissen teilt er hier und in seinem Podcast.

Published On: 09. Februar 2020 / Kategorien: Blog, Vertrieb / Schlagwörter: , , , , /

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